Ausstellungen

Mit ihren unterschiedlichen Perspektiven fragen die sechs Kuratorinnen und Kuratoren von Farewell Photography in acht Themenfeldern nach der Materialität und den Gebrauchsweisen, ebenso wie nach dem gesellschaftspolitischen Potenzial der Fotografie.

  • 1 × 1 der Kamera
    Was verspricht und was verfehlt das Material?

    Tree in Nature, (aus Darkroom Manuals, 2013), 2013, Chromogenic Prints, 76,2 x 69,6 cm © Sara Cwynar / Courtesy Sara Cwynar / COOPER COLE, Toronto, Canada

    In Form einer künstlerischen Grundlagenforschung geht die Ausstellung den Mythen und dem Material der Fotografie nach. Sie verfolgt den Wechsel vom Abdruckparadigma zu neuen Formen der Aufzeichnung. Der Ausstellungsparcours ist einem Fotohandbuch nachempfunden und führt den Besucher durch verschiedene Etappen des fotografischen Produktionsprozesses: Von Belichtung und Aufzeichnung des Bildes über Entwicklung und Weiterverarbeitung des Ergebnisses bis hin zu verschiedenen Ausgabeformaten von Fotografie. Damit kehrt sich der Blick durch den Sucher um: Nicht die Außenwelt, sondern das Innere der Kamera, die alte und die neue Logik der Fotografie wird in den künstlerischen Arbeiten Thema. Verändert die neue Materialität die Aussagekraft, die Mythen und Werte des Mediums? Übersetzen sich die Versprechen und Verfehlungen der analogen Fotografie in rechenbasierte Bilder? Oder entstehen unbekannte Fehler, die dem Fotografischen ein neues Vokabular hinzufügen?
    Ergänzend zu aktuellen fotokünstlerischen Werken sind illustrierte und mit fotografischen Originalen versehene Anleitungsbücher, Manuale und weitere Objekte zur Fototechnik des 19. und 20. Jahrhunderts zu sehen. (kuratiert von Kathrin Schönegg)

  • Das stille Bild verlassen
    Wie hoch, breit, tief und wie flexibel ist ein Bild?

    Pétrel I Roumagnac (duo), d’astérion, Installationsansicht, 2017, Pièce photo-scénique n°2 Direktdruck auf Holz, Plexiglas und diverse Materialien, 12m³ (fragmentierbar) © Pétrel I Roumagnac (duo)

    Für viele ist eine Fotografie immer noch ein Fenster zur Welt: ein stillgestellter Blick auf die Wirklichkeit, begrenzt auf die rechteckige Fläche eines Abzugs oder Monitors. Doch gerade Künstlerinnen und Künstler hat diese Reduktion auf eine zweidimensionalen Fläche immer ein wenig irritiert. Die Ausstellung Das stille Bild verlassen zeigt Formen des Experimentierens mit Fotografie. Sie versammelt Arbeiten, die die optischen und physischen Regeln des Mediums befragen, solche die den Augenblick einer Aufnahme dehnen, wiederholen oder dem gewählten Motiv eine andere Perspektive entgegenstellen. Die Künstler überlisten das fotografische Material mit seinen eigenen Mitteln oder optischen Illusionen. Sie öffnen das flache Bild über Projektionen und Installationen ins Räumliche. Dabei entstehen neue Formen des Beobachtens und Erzählens mit Bildern, die weder linear noch abgeschlossen sind, sondern vielmehr von einem Nachdenken über unsere Bildkultur zeugen. (kuratiert von Christin Müller)

  • Kein Bild ist eine Insel
    Wie prägt das Teilen unseren Umgang mit Bildern?

    Natalie Bookchin, My Meds, 2009/2016, aus: Testament, Mehrkanal-Videoinstallation, Farbe, Ton © Natalie Bookchin

    Auf den sozialen Plattformen des Web 2.0 werden Fotografien als User Generated Content im Sekundentakt geteilt. Sharing ist die fotografische Gebrauchsweise der Stunde. Das einzelne, isolierte Bild hat ausgedient. Fotografien online verlangen nach Kommentaren, Likes und Shares. Als Memes breiten sie sich in ständigen Mutationen über das Netz aus, die Zirkulation ist ihr natürlicher Zustand. In Bildersuchen tauchen sie nie allein, sondern stets in Hundertschaften auf. Kein Bild ist eine Insel.
    Für die Arbeiten der Ausstellung sind die zirkulierenden Bilder Thema und Material gleichermaßen. Sie fragen nach den ästhetischen und sozialen Konventionen, die sich durch das Teilen formieren, nach dem Verhältnis von öffentlich und privat und von Individuum und Community. Was wird da überhaupt in Umlauf gebracht und mit welcher Motivation? Und mit welchen Strategien wird versucht, der Masse an frei flottierenden Bildern Herr zu werden. (kuratiert von Fabian Knierim)

  • Wer bist du? Das bist du!
    Was verraten Portraits (nicht) über die Portraitierten?

    Andrzej Steinbach, Ohne Titel, 2015, aus: Figur I, Figur II, Inkjet-Print, 90 × 60 cm © Andrzej Steinbach / Courtesy Andrzej Steinbach und Galerie Conradi

    Das Portrait ist ein klassisches Einsatzfeld der Fotografie, bei dem Selbst- und Fremdbild zwischen Fotografen und Bildprotagonist ausgehandelt werden. Wie viel lässt sich über die Abbildung über die Identität und Charakter einer Person sagen? Welches Bild will der oder die Porträtierte von sich erzeugen? In welches Licht wurde er oder sie vom Fotografen gerückt? In der Ausstellung stehen historische Porträtfotografien aus dem Kontext der klinischen Psychiatrie neben künstlerischen Bildern. Es sind Fotografien zu sehen, die gegen den Willen der Fotografierten entstanden sind, Bilder, die mit dem Format spielen oder Stereotype heraufbeschwören, und solche, die das Porträt kritisch betrachten und analysieren. Die Porträts zeigen ein Selbstbild der Fotografierten. Sie führen uns aber auch unsere eigenen Vorlieben, Konventionen und Vorurteile vor Augen. (kuratiert von Christin Müller)

  • Widerständige Bilder
    Wie behauptet sich Widerstand – mit Bildern und gegen sie?

    Merle Kröger und Philip Scheffner, Havarie, 2016, Projektion, 93 min, Farbe, Ton © pong film GmbH

    Widerständige Bilder untersucht die kontroverse Präsenz des fotografischen Bildes in der politischen Sphäre. Wie es der Titel dieser Sektion bereits nahelegt, dienen Bilder sowohl als Mittel des Widerstands als auch als Instrument ebenjener Kontrolle, gegen die Widerstand geleistet wird. Fotografien können Sympathie auslösen ebenso wie Empörung sie können zum Handeln und zur Revolte anstiften, doch können sie auch Vorurteile bestärken und den Betrachter regungslos, distanziert und passiv zurücklassen. Die Kunstwerke und Artefakte der Ausstellung adressieren diese Spannung, indem sie vorherrschende Formen der Repräsentation befragen und Methoden politischer Opposition formulieren, mit und gegen Bilder. (kuratiert von Boaz Levin)

  • Global Players
    Wie lassen sich Fotografie, Ökonomie und Migration zusammen denken?

    Serafettin Keskin, Karneval in Ulm, 1963 © Familie Keskin

    Diese Ausstellung betrachtet die Rolle der Fotografie innerhalb des Amalgams von Ökonomie und Migration. Sie versteht die Fotografie als wesentlichen Multiplikator innerhalb unterschiedlichster Transfers von Menschen und Wertvorstellungen, die an eben dieses Amalgam geknüpft sind, als einen Global Player. Auf dieser Grundlage konfrontiert sie den Betrachter mit bestehenden oder historischen globalen Machtasymmetrien, wie sie durch den Kolonialismus geebnet wurden, und mit den damit verbundenen Sichtbarkeitspolitiken.
    Diese Erzählung beginnt vor Ort, in den an der Biennale beteiligten Städten Ludwigshafen, Mannheim und Heidelberg, zum Zeitpunkt des wirtschaftlichen Aufschwungs nach dem zweiten Weltkrieg. Private Fotografien von Einwanderinnen und Einwanderern, die unter anderem im Rahmen der Gastarbeiteranwerbung dorthin gekommen waren, treffen auf Relikte der globalen Expansion, die zeitgleich vorangetrieben wurde, wofür der Chemieriese BASF seine Archive geöffnet hat (Robert Häusser, Arne Schmitt), auf damalige und rückblickende künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Thema Einwanderung und seiner öffentlichen Verhandlung (Candida Höfer, Harun Farocki). Sie setzt sich fort in den Erkundungen einer gegenwärtigen Künstlergeneration, welche die Relevanz fotografischer Bilder für das Überdenken etablierten Wissens ebenso befragt wie sie dieses Wissen selbst identifizieren und dekonstruieren möchte (Simon Gush, Katia Kameli, Hajra Waheed).
    (kuratiert von Kerstin Meincke)

  • Andere Zeugenschaften
    Was sagt die Einstellung über die Einstellung?

    Arwed Messmer Stammheim #12, Zelle 720 (Ensslin), 1977/2016 [AM_RAF_STH_STA_LB_EL_51/3_679_FILM_EN_01_NEG_10] aus: RAF – NO EVIDENCE / KEIN BEWEIS © Arwed Messmer

    Wenn gesellschaftliche Umbrüche, politische Ereignisse und traumatische Momente auf einige wenige öffentliche Bilder reduziert werden, lohnt es sich, diese genauer anzuschauen und andere hinzuzuziehen. So stellt diese Ausstellung die Frage nach dem Zusammenhang von fotografischer und inhaltlicher Perspektive, nach der Ausrichtung der Kamera und der Haltung hinter der Kamera. Was verrät das Nebeneinander von Bildern über ein Ereignis, welche anderen Wirklichkeiten werden sichtbar, welche Funktionen der Aufnahmen und welche Kontexte bestimmen unsere Leseweise dieser Bilder? Was ist die „Einstellung hinter der Einstellung“? (kuratiert von Florian Ebner)

    In Kooperation mit dem Museum Folkwang, Essen
    Das Projekt „Lampedusa – Bildgeschichten vom Rande Europas“ wird gefördert im Fonds TURN der Kulturstiftung des Bundes

  • Gespenstergeschichten
    Ein Bilderstreit im Mannheimer Wasserturm

    Arno Gisinger, Gespenstergeschichten, Installationsansicht © Arno Gisinger

    Der fotografische Bestand der Kunsthalle Mannheim ist Ausgangspunkt für eine neue Arbeit von Arno Gisinger im Mannheimer Wasserturm. Das über 7000 Bilder umfassende Glasplatten-Archiv – in erster Linie Kunstreproduktionen, Ausstellungsdokumentationen und Architekturfotografie von der Museumsgründung 1907 bis in die frühen 1960er Jahre – ist das bisher für Besucher unzugängliche visuelle Gedächtnis der Institution. Es bildet die von politischen Umbrüchen gezeichnete Ausstellungspolitik ebenso wie die außergewöhnliche Geschichte des Museums ab, die Arno Gisinger in den öffentlichen Raum und so in einen zeitgenössischen Wahrnehmungskontext übertragen wird.